Der große Kreis, auf dem in wenigen Wochen Gemüse, Kräuter, Blumen und Feldfrüchte wachsen sollen, erinnert bei seinem ersten Anblick eher an ein ödes Brachland. So richtig in Fahrt gekommen sind die kleinen Pflanzen auf dem Beet noch nicht. Eine große Gruppe steht vor Kreis 5, der aufgeteilt in 16 Parzellen, eines von 10 Gemeinschaftsbeeten auf dem Gelände ist. Eines dieser Tortenstücke gehört für die nächsten sieben Monate meinem Freund und mir. Es ist der Tag der Saisoneröffnung und ab sofort sind wir für Parzelle 14b verantwortlich.

Obwohl im Bauerngarten jeder sein eigenes Feld pflegt, versteht sich das Projekt als Gemeinschaftsgarten. Alle arbeiten zusammen, es gibt keine Zäune und man legt Wert auf ein gutes Miteinander. Für das bessere Kennenlernen, teilen wir uns in zwei Gruppen. Auf der linken Seite sammeln sich diejenigen, die schon seit Jahren dabei sind und auf der rechten Seite die Neulinge, zu denen auch mein Freund und ich gehören. Etwas unsicher beäugen wir unsere Mitstreiter und stellen fest, dass wir inmitten von jungen Familien, Pärchen und Freundesgruppen stehen. Auf der anderen Seite hingegen, sammelt sich vor allem die ältere Generation. Was für ein Klischee.

Auch nach der Motivation gefragt, wird es in Sachen Klischees nicht besser. Da sind zum einen die hartgesottenen Selbstversorger, die sich das ganze Jahr über soweit es geht von ihrem eigenen Beet ernähren wollen, möglichst saisonal, möglichst regional, möglichst frisch. Zum anderen sind da die gelassenen Hobbygärtner, die einfach mal aus der Stadt rauskommen möchten, um entspannt in ihren Liegestühlen ein, zwei Gurken vom Feld zu naschen.

Wahrscheinlich liegt die Motivation vieler irgendwo dazwischen. Denn mal ehrlich, zahlt jemand 250 Euro für ein Beet, nur um mal eben auf einer Wiese zu entspannen? Wohl eher nicht. Der Eindruck der gewissenhaft, fast schon akribisch, vor sich hinarbeitenden Mitgärtner bestätigt die Vermutung, dass es sich bei den meisten eher um motivierte Selbstversorger handelt als dem Alltag entfliehende Großstädter. Im Gegensatz zu uns, scheinen die anderen bestens vorbereitet. Mit einer roten Schnur grenzen sie ihre Felder ab und stecken kleine, fein beschriftete Holztäfelchen in die Erde, die ihnen verraten wo auf dem Beet welche Pflanze wächst. Wir hingegen hantieren umständlich mit unseren Handys herum (auf denen sich der Beetplan befindet) und wären da nicht Gitta und Gerda, die das Tortenstück rechts von uns begärtnern, wir hätten womöglich schon am ersten Tag die Möhren getötet.

Für Gitta und Gerda bricht bereits die sechste Gartensaison an. Die beiden älteren Damen wandern mit nackten Füßen über ihr Feld, reißen selbstbewusst das Unkraut aus der Erde und versorgen uns ganz nebenbei mit nützlichen Ratschlägen. „Jedes Jahr freuen wir uns ein bisschen mehr auf unseren Garten“, verraten sie uns und wir tauschen Nummern aus. Das mit dem guten Miteinander scheint schon mal zu funktionieren. Jetzt muss ich nur noch lernen das Unkraut von den richtigen Pflanzen zu unterscheiden. Da wir in den nächsten Monaten jedoch einmal pro Woche zum Unkrautjäten wiederkommen, bin ich zuversichtlich, dass das nicht mehr lange dauern kann. Und auf die Gurken freue ich mich jetzt schon.