Heute möchte ich für alle Gegner des Online-Datings eine Lanze brechen: Ich gehöre zu euch. Dabei habe ich wirklich versucht, mich für das so genannte moderne Verlieben zu begeistern: Ich habe mich auf einer Online Dating-Plattform angemeldet, habe gesucht, geschrieben, geflirtet und mich mit potenziellen Kandidaten getroffen, ich habe versucht, mich für das tindern zu begeistern und mich gegenüber der Skepsis von Freunden mit Parolen à la “wider dem klassisch-langweiligen Kennenlernen” gewehrt. Doch wie ich mich heute immer noch nicht ernsthaft für Klimaschutz und hohe Schuhe begeistern kann, so wenig habe ich mein Herz an das ganze Onlineding verloren. Das war  nicht immer so, bezeichnenderweise erschien mir Online-Dating vor dem Praxistest noch als aufregend, unkonventionell, einfach eben als the next big thing! Zu dieser Zeit bekam ich staunend mit, wie sich langjährige Singles plötzlich von Date zu Date verabredeten, ich war dabei, wie ganze Mädelsabende plötzlich kichernd vor dem Bildschirm verbracht wurden und wie sich chronisch unentschlossene  Kumpels plötzlich ungewohnt treffsicher nach links oder rechts wischten.

Amour
Du + Ich = … Liebe? Lässt sich die so einfach im Internet finden?

Für mich stand fest: Das wollte ich auch! Ein Klick, ein Kuss und dann die ganz große Liebe! So war jedenfalls meine Vorstellung und tatsächlich konnte ich mich zu Beginn meines Online Dating Experimentes dem Zauber der virtuellen Vielfalt nicht ganz entziehen: Alice im Wunderland traf auf ein bunt gefülltes Süßigkeitenregal, es gab
junge, alte, schöne, reiche, dunkle, blonde, witzige, humorlose, ernste, kluge, sportliche, gemütliche, schräge, nette,…
Typen ! Typen, Typen, Typen! (Natürlich auch Frauen, aber die waren für mich nur so semi-spannend.)

Auf mich prasselten also Bilder, Texte und Einladungen nur so ein, es war großartig, den Sonntagnachmittag mit Schlumpfhaaren und im gemütlichen Schlafanzug im Bett zu verbringen und sich dabei von Kompliment zu Kompliment zu klicken, es war bequem, nur denen zu antworten, die mir gefielen und die anderen ohne nervige Diskussion einfach in den Papierkorb zu legen, es war amüsant, mit meinen Freundinnen die Texte auszuwerten und es war gleichzeitig bezeichnend, dass es in der Regel nur darum ging, Nachrichten zu erhalten, nicht aber um das, was in diesen geschrieben stand. Denn bereits nach wenigen Tagen folgte der Liebeskater, ich empfand die Mails als ungemein beliebig, ich vergaß, wem ich was wann zurückgeschrieben hatte und erschrak angesichts meiner eigenen Abgeklärtheit. Ich war vom klicken und matchen schlichtweg überfressen! (Dieser ganze Vorgang des Online Datings hat das online Magazin BuzzFeed übrigens sehr humorvoll anhand von zehn Songs, die zu jeder Phase des Online Datings passen, komprimiert.)

Denn macht nicht gerade das den Zauber der Liebe aus, das sie einen ganz genau dann trifft, wenn man am wenigsten mit ihr rechnet? Wenn wir nur auf ein Bier abends ausgehen wollten, ganz unerwartet einen verstohlenen Blick von unserem Gegenüber in der Bahn auffangen oder wir mit einem Fremden zum gleichen Herzschlag auf einem Konzert tanzen? Sind es nicht die Geschichten, die von skurrilen Treffen, den unglaublichsten Zufällen und den ganzen Irrungen und Wirrungen des Lebens handeln, denen wir mit leuchtenden Augen zuhören und von denen wir hoffen, sie einmal selbst erzählen zu können?

Ich selbst habe mich jedenfalls der love revolution verschrieben, statt klicken mehr lächeln, statt schreiben mehr sprechen und statt matchen zusammenfinden.